Rehabilitation von Sprech-und Schluckstörungen bei Parkinsonerkrankung

Vortrag:  14.4.2015, NRZ Rosenhügel Wien

Vortragende: Univ. Dozent Dr. Josef Spatt, FA f. Neurologie und Psychiatrie, ärztlicher Leiter des NRZ Rosenhügel und Magdalena Tomic, Logopädin, NRZ-Rosenhügel

Protokoll: Renate Lemanski, PSH Wien

Zusammenfassung des Vortrags von Herrn Univ. Dozent Dr. Spatt:

Die einzelnen Symptome der Parkinsonerkrankung sprechen unterschiedlich gut auf eine medikamentöse Behandlung an, daher bekommen die rehabilitativen Möglichkeiten als zusätzliche Behandlungsmethoden eine wichtige Bedeutung.

Sprech- und Schluckstörungen sprechen meist nicht sehr gut auf eine medikamentöse Behandlung, aber dafür sehr gut auf logopädische Behandlungsmethoden an.

Eine mangelhafte Kommunikationsmöglichkeit der Betroffenen verschlechtert ihre  Lebensqualität, weil sie, da sie oft von Nichtbetroffenen nur noch schwer zu verstehen sind, zunehmend nicht mehr Teil des allgemeinen Gesprächs sind, sondern man lieber „über sie“ redet anstatt „mit ihnen“. Das kann zu – durch eine Therapie leicht vermeidbarer –  Isolation und Depression führen.

Welche Sprachstörungen (Dysarthrie) treten bei Parkinson häufig auf?

Die Stimme wird, ohne dass der Betroffene das merkt, leiser, wirkt heiser und klingt oft monoton. Es kann zu einer ungenauen Artikulation kommen (Silben werden „verschluckt“) auch dem klassischen Stottern ähnliche Phänomene können auftreten. In manchen Fällen kommt noch eine Amimie (= unbeweglicher, starrer Gesichtsausdruck) dazu, die es dem Gesprächspartner nicht erlaubt, Gefühlsregungen (wie Freude, Erstaunen, Trauer Schmerz, Angst, Abscheu Ärger), des Betroffenen zu erkennen und er daher nicht sehen kann, ob das was er erzählt vom Patienten auch verstanden wird, oder nur sein Desinteresse an dem Thema ausdrücken soll. Es ist möglich, dass Betroffene sich dieses Defizits selbst nicht bewusst sind.

PatientInnen die sich einer Tiefe Hirnstimulation –Operation (= DBS) unterzogen haben können, bei beidseitiger DBS häufig, bei einseitiger DBS manchmal, eine Verschlechterung beim Sprechen feststellen.

Was wird bei einer logopädischen Therapie gemacht?

Der/die Logopädin stellt zuerst die Art der Defizite fest und darauf aufbauend werden übende Therapien eingesetzt, welche die Lautstärke, die Artikulation oder die Atmung verbessern sollen. Neben unterschiedlichen Therapien, die von Frau Tomic noch detailliert vorgestellt werden, zeigt sich, dass durch Chorsingen als Trainingsmethode eingesetzt, sehr gute Erfolge erzielt werden können.

Studien zeigen, dass sich die durch eine Therapie erzielten Erfolge, noch nach 2 Jahren nachweisbar sind, wobei es jedoch sehr wichtig ist, dass Übungen von den Betroffenen auch zu Hause fortgesetzt werden.

Schluckstörungen (=Dysphagie)

Welche Auswirkungen haben Schluckstörungen auf die Betroffenen?

Schluckstörungen sind bei Morbus Parkinson eine häufige Begleiterscheinung, die nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen gravierend einschränkt, sondern die auch gefährliche Komplikationen in Bezug auf die Lunge, aber auch möglicherweise Einschränkungen bei der medikamentösen Therapie nach sich ziehen kann.

Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse im Hinblick auf die medikamentöse Beeinflussbarkeit dieser Störung. Gute Ergebnisse können jedoch mit Hilfe der Logopädie verzeichnet werden. Es stehen eine Reihe von Übungsprogrammen für die Zunge, die Stimmfalten und des Ausatemmuskels zur Verfügung und eine Schluck-Video-Endoskopie kann helfen herauszufinden, was der Auslöser ist und welche Bereiche besonders trainiert werden müssen. Eine Studie zeigt gravierende Verbesserungen bei PatientInnen die sich dieser Therapie unterzogen haben, die mehr als ein halbes Jahr nach der Therapie noch nachweisbar sind.

In den USA bekommen nur 3-4% aller Parkinson-PatientInnen Logopädie. Die Zahlen in Österreich sind leider nicht bekannt, es ist jedoch zu hoffen, dass eine große und steigende Zahl von PatientInnen von logopädischer Betreuung profitieren kann.

Zusammenfassung des Vortrags von Frau Tomic:

Die Kardinalsymptome von Parkinson, Muskelsteifigkeit (=Rigor), Bewegungsarmut und Zittern führen zu Sprechstörungen, reduzierter Mimik und  Schluckstörungen, die sich wiederum auf die Kommunikation und die Nahrungsaufnahme der Betroffenen auswirken.

Bei den Sprechbeeinträchtigungen sind folgende Bereiche betroffen:

  • Atmung
  • Stimme
  • Lautbildung

Die Einschränkungen zeigen sich in:

  • Eingeschränkten Atembewegungen
  • Leisem, heiser wirkendem Stimmklang
  • Monotoner Sprechweise
  • Ungenauer Aussprache
  • Reduzierter Verständlichkeit
  • Schneller werden beim Sprechen
  • Kurzatmigkeit beim Sprechen
  • Unpassenden Pausen

Die Therapie die zur Anwendung kommt ist eine „übende“ deren Schwerpunkt auf den Bereichen Lautstärke, Artikulation und Atmung liegt.

Eine Therapiemethode, sie wird LSVT genannt, kommt aus den USA und gilt als die am besten untersuchte Methode. Ihr Hauptziel ist die Verbesserung der Lautstärke (Dezibel-Messungen) und verlangt eine hohe Trainingsintensität und einen Kraftaufwand. Betroffenen. Bringt jedoch nachweislich positive Effekte auf Atmung, Stimmqualität, Mundöffnung und Aussprache.

Reduzierte Mimik (= Hypomimie)

Den Betroffenen fehlt die Möglichkeit ihre Gefühle – ohne Worte (= nonverbal) –  zu äußern. Die spontane Gesichtsmimik ist reduziert, der Lidschlag erfolgt seltener als üblich und das Gesicht wirkt starr und teilnahmslos auf den Betrachter.

Auf der Ebene der Beratung geht es darum den Betroffenen mit dieser Einschränkung zu konfrontieren, damit er seine Gesprächspartner darauf hinweisen und so Missverständnissen vorbeugen kann.

Bei der Behandlung können Gesichtsmassagen eine kurzfristige Linderung bei steifen Muskeln bringen. Die LSVT scheint auch eine Verbesserung der Mimik zu bewirken. Der Effekt von mimischen Übungen (z.B. Stirnrunzeln etc.) ist nicht erwiesen.

Schluckstörung (= Dysphagie)

Wir alle schlucken, meist völlig automatisch und unbemerkt, bis zu 2000 Mal pro Tag.

Schlucken ist ein komplizierter Vorgang an dem 50 Muskelpaare – teils unterstützend, teils Unerwünschtes verhindernd – und unter anderem 5 Hirnnerven beteiligt sind.

Wenn Schlucken jedoch zum Problem wird, wird Essen zur ungeliebten Pflicht, die, wenn man dem Impuls früher aufzuhören als man satt ist folgt, zur Mangelernährung und zu Gewichtsverlust führen kann. Essen sollte nicht nur notwendige Nahrungsaufnahme sondern auch Genuss bedeuten. Erhöhter Speichelfluss oder andere Schluckstörungen können dem im Wege stehen.

Erhöhter Speichelfluss:

Betroffene haben das Gefühl, dass sich Speichel im Mund ansammelt und aus dem Mund austritt, häufig dann, wenn man durch andere Tätigkeiten abgelenkt ist. Dieser erhöhte Speichelfluss entsteht aber nicht, wie man meinen könnte, durch eine Überproduktion von Speichel, sondern durch verringertes Schlucken (= reduzierte Schluckfrequenz).

Die Merkmale einer Schluckstörung sind:

  • Speichel, Getränke oder Lebensmittel treten aus dem Mund aus = erhöhter Speichelfluss (= Hypersalivation oder Sialorrhö)
  • Schwierigkeiten beim Kauen
  • Längere Essensdauer
  • Vermehrtes Husten/Räuspern während oder nach dem Essen
  • Vermehrte Verschleimung
  • Unklarer Temperaturanstieg
  • Ungewollte Gewichtsabnahme
  • Wiederkehrende Bronchitis oder Lungenentzündung

Wie wird eine Schluckstörung diagnostiziert?

  • Klinische Schluckuntersuchung
  • Apparative Schluckuntersuchung – Schluckakt-Röntgen oder Video-Endoskopie

Die Video-Endoskopie kann Symptome objektivieren, dem Betroffenen die Symptome veranschaulichen und trägt zu einer besseren Therapieplanung bei.

Die Therapie von Schluckstörungen ruht auf 3 Säulen:

  • Restitution
  • Kompensation
  • Adaption

Wiederherstellen einiger Funktionen (= Restitution) erreicht man durch:

  • Training von schluckrelevanten Einzelbewegungen
  • Training von Bewegungsmustern

Schlucktechniken, die eine Veränderung der Verhältnisse während des Schluckens bewirken (= Kompensation) :

  • Haltungsmodifikation
  • Schlucktechniken
  • Reinigungstechniken

Anpassungen von außen an die Beeinträchtigung (= Adaption):

Verringerung der Anforderungen an den Betroffenen durch

  • Diätetische Maßnahmen (breiige, eingedickte Speisen und Getränke)
  • Platzierung der Nahrung
  • Ess- und Trinkhilfen

Therapie bei Schluckstörungen:

Eine gute Information des Patienten ist eine wesentliche Voraussetzung für seine selbstbestimmte Entscheidung. Therapeuten sind bemüht, aus die jeweiligen Vorlieben, Abneigungen und Erfahrungen der Betroffenen einzugehen und den Therapieplan immer mit ihnen abzustimmen. Das Ziel ist jedoch immer ein aufbauendes, also Kompensation sollte vor Adaption gehen.

Allgemein ist zu sagen:

dass jede Therapie möglichst früh, also bereits beim Auftreten erster Anzeichen begonnen werden sollte, weil sich die Erfolge dann leichter und früher einstellen und manches, was im späteren Krankheitsverlauf an Fähigkeiten bereits verlorengegangen ist, nur schwer oder gar nicht wieder hergestellt werden kann. Die Eigenverantwortung Betroffener ist in diesem Fall von besonderer Bedeutung!

Aus Sicht der Selbsthilfe ist zu sagen:

Logopädie aber auch Ergo- und Physiotherapie werden immer innerhalb eines Rehab-Aufenthaltes angeboten. Sie können sich aber auch von Ihrem Hausarzt die entsprechenden Therapien auf Krankenschein verschreiben lassen.

Wo es die jeweiligen Therapeuten in der Nähe Ihres Wohnorts gibt, erfahren Sie im Internet unter: http://logopaedieaustria.at/logopaedische-therapie-hauptmenu, oder Sie rufen im Büro der Parkinson-Selbsthilfe Wien an 01 – 982 68 21 an, wir helfen Ihnen gerne.

Wir möchten Sie auch auf die Möglichkeit hinweisen, dass Sie sich auch jederzeit an unserer (regelmäßig in unserem Büro statt findenden) Gesangsgruppe beteiligen können. Informationen dazu finden sie in den monatlich erscheinenden Parkinson-News oder gleichfalls in unserem Büro.

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