Morbus Parkinson und das Auge
Sehstörungen und Augenprobleme im direkten Zusammenhang mit M.Parkinson waren lange Zeit unbekannt, genauso wie Geruchs- und Geschmackstörungen sowie Gelenks- und Gliederschmerzen erst spät im Zusammenhang mit M.Parkinson gesehen wurden.
Die möglichen Augenprobleme des Parkinsonkranken sind zwar meist unspezifisch aber durchaus nicht harmlos und können den Patienten schwer behindern!
Der Parkinsonpatient mit Sehstörungen und Augenproblemen stellt eine Herausforderung für den behandelnden Augenarzt dar, denn oft ist es nicht einfach, zu unterscheiden zwischen :
1.) Altersbedingten Beschwerden (Morbus Parkinson ist eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte, beginnend um das 60.Lebensjahr, nur ca. 10% aller Patienten sind unter 45-50 Jahre alt, wenn die Diagnose gestellt wird) wie bei Katarakt (grauem Star, bei über 65jährigen findet sich bei nahezu 100% eine Linsentrübung mit langsam zunehmendem trübem Sehen, Licht- und Blendempfindlichkeit und ev. monokularen Doppelbildern), Glaukom (grünem Star, 3-4% der über 60jährigen betroffen – mit von der Peripherie her zunehmendem Gesichtsfelddefekt), Makulopathie (Netzhautverkalkung mit Sehschärfenabfall bei zunehmendem zentralem Gesichtsfelddefekt mit zunehmenden Leseproblemen),•Glaskörpertrübungen (hintere Glaskörperabhebung mit fliegenden Mücken und eventuellem Blitzen), Veränderungen der Netzhautgefäße bei Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Presbyopie (Altersweitsichtigkeit, Beginn 40.-45.Lj., die entsprechend den Bedürfnissen – je nach Lese- oder Arbeitsabstand (z.B. Bildschirm) ausgeglichen werden soll – Lesebrille, Bildschirmbrille oder entsprechender Nahzusatz zu einer schon bestehenden Fernbrille), …
2.) Parkinsonassoziierten Beschwerden: Z.B. bei verschwommenem Sehen trotz normaler Sehschärfe, Doppelbildern oder Leseproblemen.
3.) Medikationsbedingten Beschwerden – und hier wiederum ist zu unterscheiden zwischen:
a) Augennebenwirkungen von Parkinson-Medikamenten und
b) Augennebenwirkungen adjuvanter medikamentöser Therapie (wie Mittel gegen Depression, Demenz, Blasenentleerungsstörung, ..)
4.) Anderen neuroophthalmologischen Ursachen für z.B. eine Augenbeweglichkeitsstörung mit Doppelbildern: Tumor, Gefäßausweitung (Aneurysma), entzündliche oder durchblutungsbedingte Störungen des Zentralnervensystems, Myasthenie (bewegungsabhängige Muskelschwäche), ….
Deshalb, gleich zu Beginn, der Ratschlag an den Parkinsonpatienten:
- Bei Routineuntersuchung (z.B. Brillenkontrolle) sollte der Augenarzt in der Zeit der besten Medikamentenwirkung aufgesucht werden.
- Bei Beschwerden – besonders bei Doppelbildern aber auch bei verschwommenem Sehen, Leseproblemen, Blepharospasmus (Lidzwicken), Lichtempfindlichkeit, … sollte der Augenarzt so schnell wie möglich aufgesucht werden – es könnte auch etwas Anderes als eine parkinsonassoziierte oder medikamentös bedingte Ursache dahinterstecken.
Parkinsonassoziierte Beschwerden können sein:
- Trockene Augen
- Blepharospasmus (=unwillkürliches Lidzwicken) oder
- Lidöffnungsapraxie (=Lidöffnungsunfähigkeit)
- Lichtempfindlichkeit
- Verschwommenes Sehen
- Doppelbilder
- Leseprobleme
- Vermindertes Kontrastsehen
- Farbsinnstörungen
- Hell-Dunkel-Adaptation verzögert
- Störung der visuell-räumlichen Verarbeitung
- Schwierigkeiten mit der Tiefen- und Bewegungswahrnehmung
- Wechselwirkungen zwischen dem Seh-Umfeld und der Gangsicherheit
Medikationsbedingte Beschwerden können sein:
(NW von Parkinson-Medikamenten und /oder adjuvanter medikamentöser Therapie):
- Optische Halluzinationen
- EWG (Engwinkelglaukom – Sonderform des grünen Stars mit engem Kammerwinkel) als Gegenanzeige
- Akkommodationsstörungen (Einstellung des Auges auf Nähe und Ferne gestört)
- Störungen der Pupillenreaktion (z.T. beschrieben als parkinsonassoziiert aber sicher häufiger als NW von Medikamenten)
Trockene Augen – spielen bei 2/3 der Parkinsonpatienten mit Augenproblemen eine Rolle.
Symptome
Trockenheitsgefühl der Augen, morgendliches Sandgefühl, morgens weißlich verklebte Augen, Jucken, Brennen, Kratzen und Stechen der Augen, Augenrötung, Überempfindlichkeit auf Luftzug und kalte Luft, oft reflektorisch Tränen der Augen (paradox) – kann zu Hornhautveränderungen führen und die Transparenz der Hornhaut gefährden.
Betrifft viele Menschen aber ursächlich bzw. verstärkend bei M.Parkinson sind:
- Seltener Lidschlag im Rahmen der Hypomimie (=verminderte Mimik, Maskengesicht) – z.T. wird auch ein geänderte Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit – sei es parkinsonassoziiert oder medikationsbedingt – diskutiert.
- Seborrhoe (= vermehrte Talgabsonderung der Haut und hier auch der Lidhaut, Salbengesicht) und eventuell
- Staphylokokkeninfekte (= bakterielle Entzündungen als Lidrandentzündung, Bindehautentzündung oder Wörndl imponierend)
Therapie
- Tränenersatzmittel (AT oder Gel ), Lidreinigung mit lauwarmem Wasser, Babyshampoon oder mildem Desinfiziens und bei Bedarf antibiotische Augentropfen.
- Blepharospasmus (unwillkürliches Lidzwicken) oder
- Lidöffnungsapraxie (Lidöffnungsunfähigkeit) treten häufiger bei Parkinsonpatienten auf.
- Wenn trotz optimierter Parkinsontherapie keine Besserung eintritt, ist die Therapie mit Botulinumtoxin indiziert. Vorher Abklärung anderer neuroophthalmologischer Ursachen notwendig!
Parkinson-Kranke klagen häufig über beeinträchtigtes Sehen und Leseschwierigkeiten, obwohl die Sehschärfe normal ist !? Der Schlüssel dazu:
Auch die Steuerung und Koordination der Augenmuskeln, die den Augapfel bewegen, kann durch den striatalen Dopaminmangel betroffen sein:
Die Augenbewegungsstörungen, die dabei auftreten können, sind:
- Sakkaden (Blicksprünge) und rasche Blickfolgebewegungen sind zu kurz, werden unvollständig ausgeführt und stoppen zu früh, oder werden zu langsam oder ruckartig ausgeführt – Nachstellbewegungen sind notwendig. Die Folge können sein:
- Verschwommenes Sehen (dauerndes Nachfokussieren = Scharfstellen des Auges notwendig ), Leseprobleme, Lichtempfindlichkeit und eventuell
- Binokulare Doppelbilder (werden beidäugig wahrgenommen – verschwinden beim Schließen eines Auges im Gegensatz zu monokularen Doppelbildern, welche am betroffenen Auge beim Schließen des anderen Auges bestehen bleiben – haben andere Ursachen wie z.B. oft eine Linsentrübung) können wechselnd, je nach Tagesverfassung auftreten. Die Abklärung anderer neuroophthalmologischer Ursachen!).
Auch die Naheinstellungsreaktion des Auges mit
- 1. Konvergenz (=Bewegung beider Augen nach innen)
- 2. Akkommodation (Einstellung des Auges auf Nähe und Ferne= Leistung der Linse und deren Aufhängeapparates) und
- 3. die Verengung der Pupille (Miosis) kann gestört sein: Leseprobleme (Unschärfe und Doppeltsehen der Buchstaben) sind die Folge
Bei Optimierung der Parkinsontherapie sind meist die Beschwerden reversibel und sind, wie schon oben erwähnt, mit der Tagesverfassung wechselnd.
Weitere eher unspezifische Veränderungen:
Augenbeweglichkeit nach oben etwas eingeschränkt – dies ist aber auch bei vielen anderen älteren Menschen zu beobachten.
Meist nur durch Spezialuntersuchungen nachweisbare Veränderungen:
Gestörte Visuell-räumliche Verarbeitung
Notwendigkeit, den Kopf zu drehen, um Gegenstände am Rand des Gesichtsfeldes zu erkennen. Die visuelle Wahrnehmung ist beim Parkinsonpatienten eher wie ein Scheinwerfer auf Details fokussiert und der Blick fürs Ganze geht oft etwas unter.
Dies zusammen mit der gestörten Augenbeweglichkeit führt zu Schwierigkeiten mit der Tiefen- und Bewegungswahrnehmung.
Zahlreiche Patienten weisen Wechselwirkungen zwischen dem Seh-Umfeld und der Gangsicherheit auf. Bei einigen kommt es zu Blockierungen beim Überschreiten von rein visuellen Hürden (Türrahmen) oder sie haben Probleme, jemandem auszuweichen, der entgegenkommt.
Andererseits gibt es Patienten, die sich verschiedene Objekte in den Weg legen – als Starthilfe oder um die Schrittlänge zu halten und damit beweglich zu bleiben –
therapeutisch eingesetzt als modifizierter Gehstock mit unten angebrachter Querleiste (Plastikband oder Laserstrahl), die als Bezugspunkt dient und jeweils überstiegen werden muss oder als Brille, in die ein Querlinienmuster eingespiegelt wird, das sich entsprechend seiner Gehgeschwindigkeit vor ihm bewegt bzw. abläuft.
Diese Hilfsmittel können eine Auffassungsstörung der Bewegung kompensieren.
Offensichtlich scheint die Seh-Information bei der Organisation der Schrittfolge bei Parkinsonpatienten viel wichtiger zu sein als bei anderen Personen.
Ursache dieser Wechselwirkung zwischen Sicht und Bewegung könnte die veränderte Übertragung in den Basalganglien sein – bei der viso-motorischen Kontrolle spielt das Kleinhirn die Hauptrolle und die Kleinhirnbahnen sind ja intakt.
Dopamin spielt auch im Auge selbst, in der Netzhaut (1.und 2.Neuron), im retinalen Pigmentepithel (Pigmentschicht der Netzhaut) und in der primären Sehrinde eine wichtige Rolle – Dopamin als Neurotransmitter des Sehvorgangs neuerdings gesichert – je höher die Lichtintensität, umso mehr Dopamin wird freigesetzt – in späteren Stadien der Parkinsonkrankheit, kann der Dopamingehalt auch in diesen Arealen reduziert sein.
Die Folgen können sein:
- Vermindertes Kontrastsehen und schlechtere Farbendiskrimination – man sieht in der Dämmerung schlechter und erkennt weniger Farbnuancen.
- Farbsinnstörungen (Farnsworth-Test): Blau/Gelb-Störung, fast immer unbemerkt – beides hat jedoch nichts mit Farbenblindheit zu tun.
- Hell-Dunkel-Adaptation verzögert – Störungen im Umschalten vom Zäpfchen- auf Stäbchensehen.
- Auch hier wiederum: Beschwerden durch L-Dopa-Gaben meist verbesserbar.
Medikationsbedingte Beschwerden können sein:
- Optische Halluzinationen sind bei fortgeschrittenem Parkinson bei Medikamenten-Überdosierung relativ häufig. Grundsätzlich: Alle Parkinsonmedikamente haben eine halluzinogene Potenz! Es kommt meist zunächst zu benignen (gutartigen) Halluzinationen, die der Betroffene als Trugbild erkennt. Zum Beispiel werden nicht vorhandene Personen im Raum gesehen – kann dann aber in weiterer Folge zu Psychosen (z.B. Verfolgungswahn) führen. Beherrschbar durch entsprechende Dosisanpassung der Parkinsonmedikation.
- L-Dopa-Präparate: Ki.: bei EWG (Engwinkelglaukom = Sonderform des grünen Stars mit engem Kammerwinkel), Vorsicht bei chron.Weitwinkelglaukom, Nw.: Lidkrämpfe
- Dopaminagonisten: Nw.: optische Sinnestäuschungen. Im Tierversuch mit Pramipexol fanden sich Hinweise auf eine Netzhaut-Degeneration, welche jedoch bisher nur bei der Albinoratte beobachtet werden konnte – beim Auftreten von Sehstörungen unter Pramipexol-Therapie ist zwingend eine augenärztliche Untersuchung durchzuführen!.
Dopaminabbauhemmer:
- COMPT- ,•MAO-B-Hemmer: Ki.: EWG, NW.: BH-Entz., Halluzinationen,
- Kombinationspräparat: Salevo: Ki.: EWG, Nw.: Sehstörungen, Vorsicht bei: chron.Weitwinkelglaukom – regelm.AT-Ko erforderlich – ev. Dosisanpassung notw.,
- Anticholinergika: Ki: EWG, Nw.: Sehstörungen, Pupillenerweiterung mit Blendempfindlichkeit + Akkommodationsstörungen. (heute nur mehr selten wegen der zu erwartenden kognitiven Störungen verwendet)
- Glutamatantagonisten (Amantadinsalze):Nw.: Sehstörungen, Bes. Vorsicht bei grünem Star.
und häufige adjuvante medikamentöse Therapien bei Parkinsonkranken, die NW am Auge zeigen können:
Antidepressiva (Serotonin-uptake-Hemmer (SSRIs): Bes. Vorsicht bei grünem Star, Nw.: Pupillenerweiterung – Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Optische Halluzinationen.
Medikamente gegen Blasenbeschwerden (Anticholinergika): KI: EWG, Nw.: Sehstörungen, Pupillenerweiterung und gegen Demenz (ACH-Esterasehemmer): Nw.: Ziliarspasmen – Akkommodationskrampf, Augenschmerzen, Nystagmus (Augenzittern), ..
Oft lindern oft schon einfache Maßnahmen deutlich die Augenbeschwerden von Parkinson-Kranken:
- So gilt es, Medikamente zu vermeiden, die sich ungünstig auf die Tränensekretion und Akkommodation (Naheinstellungsreaktion) auswirken.
- Erkrankungen der Augenoberfläche, das trockene Auge, insbesondere auch Entzündungen der Augenlider, sollten konsequent behandelt werden. Gegebenenfalls sind die Patienten zu ermutigen, künstliche Tränenflüssigkeit anzuwenden.
- Wenn die Kranken unter Lidkrämpfen und Problemen beim Öffnen der Augen leiden und die bereits erwähnten Maßnahmen nicht helfen, empfiehlt sich eine Behandlung mit Botulinumtoxin
- Beim Lesen ist immer auch auf ausreichendes Licht zu achten. Von Gleitsichtbrillen ist abzuraten, aber auch Bifokalbrillen eignen sich nicht immer für Parkinson-Kranke. Diese profitieren oft mehr von separaten Brillen für Fernsicht, Lesen oder Arbeit am Computer.
- Patienten mit verlangsamten Sakkaden (Blicksprüngen) ist anzuraten, dass sie beim Lesen mit dem Finger entlang der Zeilen gleiten und so die Augen gleichsam führen.
- Gutes Sehen ist für den Parkinsonpatienten für seine Gangsicherheit wichtig!
- Sorgen Sie für ausreichende Beleuchtung und gestalten Sie Ihre Umgebung kontrastreich.
Bei Optimierung der Parkinsontherapie sind viele der Beschwerden reversibel und sind, wie schon erwähnt, typischerweise mit der Tagesverfassung wechselnd.
Ärzte Zeitung, 15.05.2012: Augenzittern zur Diagnose: US-Forscher haben jetzt herausgefunden, dass eine spezielle Form des Zitterns sich womöglich zur Parkinson-Frühdiagnose eignen könnte.
Die oszillatorische Fixationsinstabilität (Augentremor) = Fixationsstörung bei Augenzittern kann zu unscharfem Sehen führen, obwohl die Augen selbst in Ordnung sind. Offensichtlich: Die Störung der motorischen Kontrolle, die mit der Parkinsonkrankheit einhergeht, betrifft nicht nur die Gliedmaßen, sondern auch das okulomotorische System – die Steuerung und Koordination der Augenmuskeln. „Fixationsinstabilität ist ein verbreitetes Merkmal von Patienten mit Morbus Parkinson“, so die Forscher.
Parkinsonspezialisten der Virginia Commonwealth University in Richmond haben 112 Patienten mit Morbus Parkinson, darunter 18 noch unbehandelte, und 60 Kontrollpersonen im Labor auf okulomotorische Parameter untersucht. Eine oszillatorische Fixationsinstabilität (Augentremor) fand sich bei allen Parkinsonpatienten und bei zweien der 60 Kontrollpersonen. Eine der zwei Kontrollpersonen hatte offenbar eine präsymptomatische Parkinsonerkrankung. Die Grundfrequenz des Tremors betrug 5,7 Hertz, die mittlere Abweichung 0,27 Grad. Amplitude und Frequenz des Augentremors korrelierten nicht mit der Krankheitsdauer oder -schwere, auch die verwendete Dopa-Dosis hatte keinen Einfluss. Zudem waren behandelte und unbehandelte Patienten nicht an ihrem Augenzittern zu unterscheiden. Präzise okulomotorische Tests könnten sich deshalb als diagnostisch hilfreich erweisen, um eine Parkinson-Erkrankung bereits in einem frühen Stadium zu erkennen.
Dr.Johann Ebner
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