L-Dopa – eine Renaissance?

Dr. Günter Hochschorner – Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Geriatrie – Leiter der Parkinsonambulanz des NRZ Rosenhügel / KH Hietzing

Vor etwa 60 Jahren gelang einer Wiener Gruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Hornykiewicz und Univ Prof Dr Birkmayer erstmals ein Durchbruch in der Behandlung der Parkinsonerkrankung durch die Entdeckung der Wirksamkeit von L Dopa, einer Vorstufe des Botenstoffes Dopamin. Die Vorstufe von Dopamin, L-Dopa (= Levo-Dopa) wird im Körper in Dopamin umgewandelt.  Noch heute gilt L-Dopa, das in den Medikamenten Madopar, Sinemet und Stalevo enthalten ist, als die wirkungsvollste Behandlung (der sogenannte Gold-Standard) bei M Parkinson. Es zeigt eine sehr gute Wirkung und eine günstige Relation zu den möglichen Nebenwirkungen, wirkt jedoch nicht gleich gut auf alle Parkinson-Symptome. Man kann sagen, dass jeder Betroffene früher oder später ein L-Dopa-Präparat benötigt. Auch neue Studien mit moderner Methodik belegen die gute Wirksamkeit dieser Behandlungsform.

Als Schwächen der Behandlung sieht man jedoch, dass die Wirksamkeit nur schwer konstant über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten ist. Die Wirkdauer von L Dopa ist kurz. In der sogenannten „Honeymoon-Phase“, also den ersten Jahren nach Diagnosestellung unterstützt die noch vorhandene körpereigene Dopamin Speicherung die Wirkung der L-Dopa Medikamente, aber bei fortschreitendem Krankheitsverlauf wird diese köpereigene Speicherung laufend geringer. Dazu kommt, die krankheitsbedingte, langsamere Passage durch den Magen und Darmtrakt, von wo aus das Medikament erst aufgenommen werden muß und an seinen Zielort, das Gehirn, zur Umwandlung in Dopamin weitergeleitet wird. Das Nahrungseiweiß konkurriert dabei mit L Dopa um die Aufnahme, was bedeutet, dass das Medikament nicht immer in ausreichender Menge das Gehirn auch tatsächlich erreicht um dort konstant wirksam werden zu können. Daher ergibt sich die wichtige Empfehlung eine halbe Stunde vor der Einnahme und 1 ½ Stunden nach der Einnahme keine eiweißhaltigen Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte zu sich zu nehmen.

Auf einige Symptome des M Parkinson wirkt L-Dopa nicht so gut. Das betrifft z.B. die Haltung, aber auch manchmal das Sprechen. Die Medikamente haben eine kurze Halbwertszeit (etwa 2 Stunden) bis die Wirkung wieder abklingt. Das verursacht Wirkungsschwankungen, denen man durch die Gabe von „retard“-Formen entgegenzuwirken versucht bzw man gibt Medikamente die den raschen Abbau vermindern, wie z B Rasagilin oder Entacapone

Jüngere Betroffene erreichen dieses Stadium, das auch durch Dyskinesien (= überschießende Bewegungen) gekennzeichnet ist, früher als ältere Betroffene. Die Dyskinesien belasten die Betroffenen meist weniger als ihr soziales Umfeld, begünstigen aber z.B. die Gefahr von Stürzen.

Als Leitlinie gilt es daher – und das ist immer noch gültiger Behandlungsstandard -, die L-Dopa-Behandlung besonders bei jüngeren zu verschieben und die Behandlung mit z B Agonisten zu beginnen.

Worin besteht nun die eingangs erwähnte „Renaissance“ in der L-Dopa-Behandlung?

In einer 7-jährigen Testphase wurde bei 1.500 neudiagnostizierte Betroffenen erhoben, wie sie – subjektiv – ihr Lebensgefühl einschätzen, wenn sie gleich vom Anfang an mit einem L-Dopa-Präparat behandelt werden, gegenüber einer Kontrollgruppe, die dem Standard entsprechend, mit Agonisten behandelt wird. Beide Gruppen hatten die Möglichkeit bei schlechter Wirksamkeit oder störenden Nebenwirkungen von einer Gruppe zur anderen zu wechseln.

Es zeigte sich, dass in der Gruppe, die mit Agonisten behandelt wurde, ein häufigerer Wechsel stattfand. In der Gruppe, die gleich mit L-Dopa behandelt wurde, jedoch nur in 7 % von der Wechselmöglichkeit Gebrauch gemacht, das subjektive Gefühl der Zufriedenheit mit der Medikation also sehr viel höher war.

Das Neue an dieser Studie war, dass sie sich nicht vorranging mit den Auswirkungen der Medikamente auf die Motorik befasste, sondern die Befindlichkeit und Lebensqualität der Kranken als Maß nahm.

Die Auswertung zeigt ganz deutlich die höhere Zufriedenheit der L-Dopa-Gruppe und erhielt die bessere Bewertung (bei standardisierten Bewertungsmöglichkeiten) durch die Betroffenen.

Wenn man diese neue Studie mit den bisher üblichen, reinen Symptom-Studien vergleicht, so zeigt sich, dass sich die Ergebnisse bei den motorischen Symptomen – über den Zeitraum von 7 Jahren gesehen-  nicht wesentlich voneinander unterscheiden und die, vor etwa 15 Jahren, sehr häufig propagierte „L-Dopa-Phobie“ (vor allem bei jüngeren Betroffenen) keine Berechtigung hat. 

Was als Manko bei der L-Dopa-Behandlung bestehen bleibt, ist der durch Medikamente nur schwer zu erreichende konstante Wirkstoff-Spiegel. Dieser konstante Spiegel ist derzeit nur mit der Duodopa-Pumpe zu erreichen. Die Pumpensysteme sind bezüglich der Handhabung jedoch nicht so problemlos, als dass sie als Ersatzmethode für jeden Patienten gut geeignet sind.

Was an Neuerungen in der Behandlungsmethoden in den nächsten Jahren zu erwarten ist:

Ehe die im Moment viel diskutierte Parkinson-Impfung bei den PatientInnen ankommen wird, dürfte es noch gut 8-10 Jahre dauern und das ist für die heute und in den meisten Fällen schon seit Jahren Betroffenen doch eine ziemlich lange Zeit. Ob und in welchem Krankheitsstadium sie davon überhaupt profitieren werden können ist offen. Es ist also sehr wichtig zu wissen, dass es zumindest relativ kurzfristig – in 2 – 5 Jahren –  verbesserte Medikamente geben wird, die ihnen das Leben mit Parkinson mit Sicherheit erleichtern werden.

Der zeitlich begrenzte Medikamentenschutz (=Patentschutz) bei den bisherigen Parkinson-Medikamenten ist in vielen Fällen abgelaufen und das ermöglicht den „Nachbau“ der Präparate durch andere Medikamentenerzeuger. Diese sogenannten Generica werden aber leider auch dazu führen, dass die bisher bekannten Namen der gängigen Parkinson-Präparate verschwinden und durch eine Vielzahl „Neuer“ ersetzt werden und wir uns alle umgewöhnen werden müssen. Ein Vorteil wird aber, neben dem billigeren Preis für die Krankenkasse, für den Patienten z B mehr Dosierungsstufen bei Levodopa/Carbidopa/Entacapone sein, die bei Stalevo dzt nicht zur Verfügung stehen.

Kurz vor der Einführung in Europa steht ein neuer MAO B Hemmer – Safinamid, der längere ON Zeiten erzielt hat und auch ein neuer COMT Hemmer namens Opicapone, den man nur einmal täglich  einnehmen muss. Untersucht werde auch neuer Retard Formern, also L Dopa Formulationen, die im Vergleich zu heute zur Verfügung stehenden Tabletten, längere Wirksamkeit über den Tag und damit weniger Einnahmezeitpunkte ermöglichen. Interessant sind auch kleine Pumpensysteme, die man auf die Haut klebt, und die L Dopa unter die Haut abgeben oder ein L Dopa Spray der bei OFF Phasen schnell Besserung bringen soll.

Diese neuen Medikamente durchlaufen eine lange Entwicklungs- und Testphase und müssen schließlich durch die Behörden in der EU und damit auch Österreich zugelassen werden. Nicht unwesentlich ist für die Markteinführung dabei auch die Preisgestaltung, denn von einem sehr teuren Medikament, das von der Sozialversicherung nicht oder kaum übernommen wird, hat der Patient wenig. Es sind daher zeitliche Aussagen über die Verschreibbarkeit in der Praxis nur sehr vage Aussagen möglich..

PatientInnenfragen:

Kann man die Dosierung der Medikamente nicht einfach erhöhen, um eine konstantere Wirkung  zu erzielen?

Die Frage ist nicht so sehr, ob man die Dosierung erhöhen kann um die Wirkungs-schwankungen besser in den Griff zu bekommen, sondern eher wie bekommt man das Medikament in ausreichender und vor allem konstanter Menge an den richtigen Ort.

Eine konstante Wirkung kann zurzeit nur mit 3 Methoden erreicht werden. Die bereits erwähnte:  Duodopa-Pumpe, die Apomorphin-Pumpe und die tiefe Hirnstimulation (= eine auch als DBS bekannte Operationsmethode).  Die bisherigen anderen medikamentösen Behandlungsformen, also die Kombinationen von L-Dopa-Präparaten und Retard-Präparaten erreichen leider nicht annähernd so stabile Ergebnisse.

Mein Blutdruck ist so niedrig. Kommt das von den Parkinson-Medikamenten? Wenn ich mein Medikament einnehme, dauert es 2 Stunden, ehe sich der Blutdruck wieder von selbst erhöht.

L-Dopa-Medikamente haben eine bekannte blutdrucksenkende Wirkung. Dazu kommt zusätzlich, dass die  Parkinsonerkrankung an sich auch eine Auswirkung auf das vegetative (=nicht bewusst steuerbar) Nervensystem hat. Rasches Aufstehen vom Bett oder von einem Sessel sollte man daher vermeiden. Das rasch in die Beine strömende Blut fehlt im Gehirn und löst dort ein Schwindelgefühl aus (= erhöhte Sturzneigung).

Beim Medikament Azilect steht in der Packung, dass es zu einer Blutverdünnung kommen kann. Ist das gefährlich?

Diese Angaben im Beipackzettel soll Sie nicht verunsichern, weil sie nur in seltenen Fällen von Bedeutung ist. Solche Ängste sollten sie mit ihrem Arzt besprechen, nicht das Medikament gleich absetzen. Es muß eine individuelle Nutzen Risiko Abschätzung erfolgen.

Kann es bei der Einnahme von Madopar zu einem Gewichtsverlust kommen? Ich habe in relativ kurzer Zeit 12 Kilo abgenommen.

Das ist eher unwahrscheinlich und man sollte überprüfen, welche anderen möglichen Ursachen hinter dem  Gewichtsverlust stehen könnten. 

Was bei Madopar und anderen L-Dopa-Präparaten zu beachten ist, ist der richtige zeitliche Abstand  bei der Aufnahme von Nahrungseiweiß und der Einnahme des Medikaments. Das bezieht sich jedoch nur auf die Verfügbarkeit von ausreichenden Mengen Dopamin im Gehirn. Es ist jedoch nicht immer einfach, vor allem wenn man schon viele Medikamentendosen über den Tag verteilt zu nehmen hat, die an sich wichtige Einnahme von Nahrungseiweiß und dem Medikamenteneiweiß gut in Übereinstimmung zu bringen.

Ich habe eine schlechte Beweglichkeit der Füße nach einem Knochenbruch. Mein Apotheker hat mir zur Einnahme von essentiellen Aminosäuren geraten. Ist das sinnvoll?

Eher nicht. Eine normale, ausgewogene Kost allein ist ausreichend um die Versorgung des Körpers mit essentiellen Aminosäuren zu gewährleisten.

Wie steht es um die Vererbbarkeit von Parkinson, muss ich mir um meinen  Sohn, meine Enkel Sorgen machen?

Der klassische Parkinson, also der idiopathische (=unbekannter Auslöser) tritt in der Regel sporadisch (d h nur in einer Generation) auf. Seltener sind Parkinson-Syndrome jedoch über Generationen nachweisbar. Man kennt Genveränderungen, die das Risiko zu erkranken erhöhen. Eine klassische Erbkrankheit mit voraussagbarem Erbgang ist der M Parkinson aber nicht. Ein genetischer Test ist dzt in der Praxis wenig aussagekräftig. Findet man keine Genveränderungen kann man nicht ausschließen, dass eine bisher unbekannte Genveränderung doch vorliegt, andererseits findet man eine bekannte Genveränderung kann man nur von einem (meist nur gering) erhöhten Risiko sprechen. Der Einzelne muss auch bei einer solchen Konstellation nicht erkranken.  

Kann man in irgendeiner Form Parkinson vorbeugen?

Eine Vorbeugung ist leider nicht möglich, da es, anders als das bei vielen anderen Krankheiten, wo das schon Standard  ist, noch keine Nachweise im Blut, sogenannte „Marker“ gibt. Das gehört noch zu den Dingen an denen die Forschung zurzeit intensiv arbeitet.

Parkinson und Alzheimer werden oft in einem Atemzug genannt. Gibt es dafür einen Grund?

Parkinson und Alzheimer sind zwei unterschiedliche neurologische Krankheiten, die in manchen Fällen tatsächlich gemeinsam auftreten können. Beide Erkrankungen werden mit zunehmendem Alter häufiger, schon allein deshalb ergeben sich Überschneidungen. Letztlich gibt es auch beim M Parkinson dementielle Symptome, die meist in der Spätphase der Erkrankung auftreten können und deren Behandlung ähnlich ist wie bei Alzheimer.

Eine Patientin erzählt, dass sie, um die Wirksamkeit ihres Medikaments zu erhöhen, mit in  ¼ geteilten Tabletten den Wirkungszeitraum länger konstant zu erhalten versucht und möchte wissen, wie sinnvoll das aus Sicht des Arztes ist.

Es wurde, diesem an sich logisch erscheinenden Gedankengang folgend, bereits vor Jahren in Schweden versucht L-Dopa in Minidosierungen (größenmäßig vergleichbar den bekannten homöopathischen Globuli) zu verpacken. Abgesehen von der unhandlichen Verabreichungsform (vor allem bei Tremor-PatientInnen) hat sich gezeigt, dass man eine gewisse „Schwellendosis“ benötigt, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen. Dazu kommt, dass auch durch die verlängerte Verweildauer im Magen-Darmtrakt nicht genug vom Wirkstoff und zusätzlich zur richtigen Zeit im Gehirn ankommt und die Steuerung solcher kleinen Dosen „punktgenau“ schwierig ist und kaum planbar.

Kann es sinnvoll sein, den Einnahmezeitpunkt der Medikamente  individuell zu variieren?

In besonderen Situationen kann das Variieren sinnvoll sein. Das gilt für geschulte Patienten die sich gut auskennen, ihre Symptome richtig einschätzen können (Ist das jetzt Tremor oder Dyskinesie?). Eine reine Einnahme nach Bedarf ist nicht anzuraten und man sollte versuchen die Einnahmezeitpunkte nicht völlig  zu verlassen und auch die Dosis nicht sukzessive zu steigern. Von Selbstversuchen ohne ärztliche Begleitung ist dringend abzuraten.

Warum neigen manche Patienten zu Dosissteigerungen?

Die Besonderheit von Dopamin liegt in seiner positiven Wirkung auf die Stimmungs-schwankungen und Antrieb. Das „Anfluten“, also der Moment, wo Betroffene den Eintritt der Wirkung von z B Madopar zu spüren beginnen, wird meist als angenehm empfunden. Das kann so weit gehen, dass Betroffene sich dieses Wohlgefühl über zu hohe Dosen verstärkt holen wollen, was aber dazu führt, dass diese zu hohen Dosen dann andere Nebenwirkungen hervorrufen.

Wie lange dauert es bis man mit der Duodopa-Pumpe richtig eingestellt ist?

Die initiale Einstellung und „Umrechnung“ von den Tabletten geht meist recht schnell in ca 3 – 7 Tagen. Man muß aber mit mehreren Monaten rechnen bis auch der erwünschte Erfolg z B im Hinblick auf Dyskinesien, zu erreichen ist. Das geschieht nicht auf Knopfdruck und benötigt auch Dosisanpassungen.

Was ist zu Madopar und Freezing-Problemen zu sagen?

Freezing spricht leider nicht immer auf Madopar und eine Dosisänderung an. Man kann medikamentös alternativ probieren diese Problematik mit MAO-B-Hemmern zu verbessern. Den nicht-medikamentösen Therapieformen ist aber oft der Vorzug zu geben, also Physiotherapiemaßnahmen einüben und Blockaden mit optischen oder akustischen Signalen zu durchbrechen versuchen. Es kann auch sinnvoll sein, die blockierte Vorwärtsbewegung durch einen Schritt zur Seite oder nach hinten zu umgehen.

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