Hirn braucht Bewegung!
Morbus Parkinson ist als Bewegungsstörung bekannt, beinhaltet aber auch Vieles mehr.
Meist Dekaden vor der eigentlichen Diagnose können nicht motorische Symptome, u.a. Reduktion des Geruchssinns, Darmträgheit, Depression, Schlafstörungen, etc. auftreten, die im Laufe der Erkrankung an Bedeutung zunehmen können. Die typischen Kardinalsymptome jedoch, die sogenannten ‚Parkinsontrias’, auf denen auch die klinische Diagnose basiert, beinhalten die motorischen Symptome: ‚Bradykinese’ (Verlangsamung der Bewegungen), ‚Rigor’ (Muskelsteife) und ‚Tremor’ (Zittern). Diese motorischen Symptome sind von Patient zu Patient verschieden ausgeprägt. Eine grobe Einteilung beschreibt, das Vorherrschen der Symptome- rigid-akinetischer Typ, tremordominanter Typ und Äquivalenztyp.
Neben allgemeinen Einschränkungen im Alltag, können Stürze durch eingeschränkte Gleichgewichtsfähigkeit eine potentielle Gefahr darstellen. Hier ist zu betonen, dass zwar medikamentöse Therapie die Verlangsamung mindern und damit das „Abfangen“ von möglichen Stürzen erleichtern kann, jedoch gibt es bis dato kein Medikament, um die Gleichgewichtsfähigkeit an sich zu verbessern.
Um Parkinson ‚den Kampf ansagen zu können’ sollte man alle uns zur Verfügung stehenden Therapien nutzen. Eine Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien stellt zum heutigen Zeitpunkt die Säulen der Parkinsontherapie dar und sind damit im gleichem Maße essentiell für bestmögliches Leben mit der Erkrankung! Unter den nicht-medikamentösen Therapien kommt v.a. der Bewegungstherapie maßgebliche Bedeutung zu. In der neurophysiologischen Forschung konnte gezeigt werden, dass Bewegung zu vermehrter Ausschüttung von Wachstumsfaktoren für Gehirn und Gefäße führt. Dies wiederum veranlasst das Gehirn, neue Verbindungen zu erstellen. Vereinfacht ausgedrückt, führt Bewegung zu einem „wachsenden Gehirn“. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass das Volumen der Hippocampus-Region (Sitz des Gedächtnisses), sowie der Frontallappen (u.a. Sitz des planenden Denkens) bei regelmäßiger Bewegung zunimmt.
Aber welche Effekte kann man als ‚sportelnder’ Parkinsonpatient direkt erwarten?
Es ist bekannt, dass ein aktiveres Sozialleben, in Kombination mit gemeinsamer Bewegung die Lebensqualität erhöht und nebenbei auch Schutz gegen geistigen Abbau, d.h. quasi eine „Prophylaxe gegen Demenz“ darstellt.
Aber natürlich sind auch die körperlichen Vorteile von regelmäßiger Bewegung hinlänglich bekannt. Einerseits können Erkrankungen des Alters, vor denen ja auch Parkinsonpatienten nicht gefeit – und durch die drohende Inaktivität sogar noch mehr gefährdet sind-, wie Herz-Kreislauferkrankungen, Osteoporose, eingeschränktes Denken, etc. durch Bewegung zurückgedrängt werden. Andererseits wird die Mobilität, insbesondere das Gehen, die Gefahr von Stürzen und damit die zu erhaltende Selbstständigkeit maßgeblich beeinflusst.
Ein großes Thema in der Parkinsonforschung ist die Beeinflussung des Krankheitsverlaufs. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte noch kein Medikament entwickelt werden, welches den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. Ende des letzten Jahres konnten jedoch große Studien zeigen, was in der Klinik schon längere Zeit beobachtet werden konnte. Sport und Bewegung -in einer Studie sogar ‚hochintensives Laufbandtraining’ (1) – kann den Krankheitsverlauf sehr wohl positiv beeinflussen. Zudem zeigte sich, dass eine Kombination, beispielsweise Gleichgewichtstraining kombiniert mit kognitivem Training, bessere Erfolge erzielt, als diese 2 Trainingsformen alleine (Horak, WPC 2016). Eine andere Studie zeigte, dass jegliche Bewegung, solange Patienten sie <2,5h/Woche ausüben zu einer maßgeblichen Verbesserung der Lebensqualität führt (2).
Daraus kann man schließen, dass das Hauptaugenmerk darauf liegen sollte, dass Bewegung regelmäßig ausgeführt werden sollte.
Die Palette von sinnvollen Bewegungstherapien bei Morbus Parkinson wurde in den letzten Jahren immens erweitert. Immer innovativere Trainingsmethoden sollen auch den Spaß an der Bewegung fördern, nebenbei ganz neue Anreize und Ergebnisse für Patienten bieten und dadurch die Motivation an regelmäßiger Bewegung stärken.
Hierzu ist es nicht nötig, ein Profisportler zu sein- es gibt viele Bewegungsformen, die für Patienten in Frage kommen und Patienten -auch in leicht abgewandelter Form- von dem individuellem Level abholen. Einige interessante Beispiele sind: Yoga, Taichi, Trampolinspringen, Tischtennis, Bogenschießen, (Tango)Tanzen, Nordic Walking, Wassergymnastik, Wasserball, und sogar Boxtraining. Von diesen Sportarten ist bekannt, dass sie ganz spezielle Symptome bei Parkinsonpatienten mindern können.
Eine neuartige und innovative Trainingsmethode, das ‚Sportklettern’ wird in Kürze in Wien untersucht werden. Obwohl schon Studien zu Klettertraining bei anderen neurologischen Erkrankungen bestehen, und Sportklettern in der Parkinsonrehabilitation eingesetzt wird, liegt überraschenderweise noch keine Studie zu Sportklettern bei Morbus Parkinson vor. Das falsche Image von Sportklettern als gefährlicher Extremsport, der nur von jungen Leuten ausgeübt werden kann, soll mit einer Studie, die an der Medizinischen Universität Wien, in Kooperation mit der Medizinischen Universität Kiel, sowie des Instituts für Sportwissenschaften, Universität Wien entkräftet werden.
Wir erwarten uns positive Effekte im Bereich der physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens mit Morbus Parkinson. Durch diese Untersuchung erhoffen wir, diesen Sport, der ideal zu sein scheint, ganzheitlich die Symptome von Morbus Parkinson zu bekämpfen, für Parkinsonpatienten auf der ganzen Welt zugänglich zu machen.
Teilnehmer für die Studie werden noch gesucht. Interessierte Patienten können sich direkt über heidemarie.zach@medunwien.ac.at, bzw. unsere Projekthomepage https://neurologie.meduniwien.ac.at/sportklettern-mit-morbus-parkinson/ informieren. Auch die finanzielle Unterstützung des Projekts über das Spendenkonto ist noch möglich und wäre für die Beendigung der Studie von größter Wichtigkeit.
Medizinische Universität Wien
IBAN: AT36 2011 1404 1007 0700
BIC: GIBAATWW
Verwendungszweck: UE76101005
- Schenkman M, Moore CG, Kohrt WM, Hall DA, Delitto A, Comella CL, Josbeno DA, Christiansen CL, Berman BD, Kluger BM, Melanson EL, Jain S, Robichaud JA, Poon C, Corcos DM. Effect of High-Intensity Treadmill Exercise on Motor Symptoms in Patients With De Novo Parkinson Disease: A Phase 2 Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol. 2018;75(2):219-26.
- Rafferty MR, Schmidt PN, Luo ST, Li K, Marras C, Davis TL, Guttman M, Cubillos F, Simuni T, all NPFQIII. Regular Exercise, Quality of Life, and Mobility in Parkinson’s Disease: A Longitudinal Analysis of National Parkinson Foundation Quality Improvement Initiative Data. J Parkinsons Dis. 2017;7(1):193-202.