Guten Appetit bei Morbus Parkinson
Vortragende: Primarius Dr. Dieter Volc, FA für Neurologie und Psychiatrie, Privatklinik Confraternität, Wien
Krista Stampfer, Diätologin, Privatkrankenanstalt Confraternität
Protokoll: Renate Lemanski
Mit der launigen Einleitung: „Es gibt keine spezielle Diät bei Parkinson, damit ist der Vortrag beendet“, begann Primarius Dr. Dieter Volc eine interessante Einführung in das Kapitel Verdauung, die von der Nahrungsaufnahme, über alle Zwischenstufen im Körper bis hin zur Ausscheidung reichte, und viel Wissenswertes für die zahlreich erschienenen Teilnehmer brachte.
Wir essen nicht nur, weil der Körper Nährstoffe braucht, essen ist auch ein sinnlicher Genuss, der bereits beim Betrachten, Riechen und Schmecken, ja selbst beim Hören (z.B. bei der krachenden Semmel) beginnt. Die Nase ist dabei noch wichtiger als die Geschmacksempfindungen im Mund, weil diese, neben heiß und kalt nur 4 Nuancen – süß, sauer, bitter und salzig zu unterscheiden vermag. In den letzten Jahren hat sich als 5. Qualität noch „Umami“ dazu ergeben. Das ist japanisch und heißt „köstlich“. Es ist der typische Würzgeschmack, wie er von Glutamat (z.B. Suppenwürze) hervorgerufen wird. Aber auch „fett“ wird als eigene Geschmacksqualität derzeit diskutiert. Die Lippen wiederum teilen uns mit, wie gut sich eine Speise anfühlt. Die Zähne zerreißen die Speisen und über das Zusammenspiel mit der Zunge werden die Speicheldrüsen angeregt, Verdauungsenzyme freizusetzen und so den ersten Teil der Verdauung bereits im Mund einzuleiten. Vom Schlucken an, übernimmt eine Vielzahl von Muskeln den Weitertransport des Speisebreis bis zum Ausgang.
Von hier an kann es dann zu den parkinsonspezifischen Verdauungsproblemen durch unwillkürliche Bewegungen kommen. Die Speiseröhre bildet den Übergang zum Magen. Die Magenschleimhaut produziert eine sehr starke Säure, deren Aufgabe es ist, den Organismus vor Viren und Bakterien zu schützen. Hier ist anzumerken, dass gern verschriebene Säureblocker unbedingt auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen sind, weil sie die natürliche Aufgabe des Magens, aber auch die Madopar-Aufnahme, empfindlich stören.
Die beim Laien gängige Vorstellung, dass der Magen eine „offene Tasche“ ist, in die die Nahrung hineinfällt und dann gleich weitertransportiert wird ist falsch. Im Gegenteil, die Magenwände kleben zusammen und werden erst durch Wasser geöffnet und das setzt dann einen Vorgang, vergleichbar einer Waschmaschine, in Kraft, der 2 Stunden lang den Speisebrei durchmischt. Daher können eingenommene Tabletten auch nicht sofort wirksam werden, weil sie im Magen auf das Öffnen des dortigen Schließmuskels und den dadurch in Gang gesetzten Weitertransport warten müssen.
Rohes Obst und Gemüse bleiben länger im Magen liegen und erhöhen dadurch das Sättigungsempfinden beim Essenden. Die nächste Station die der Speisebrei erreicht, ist der Zwölffingerdarm. Hier kommen die Säfte aus Leber und Bauchspeicheldrüse dazu, bevor der Speisebrei den Dünndarm erreicht. Der Transport vom Innenraum des Darmes durch die Darmwände zum Blutkreislauf erfolgt aktiv. Das bedeutet, dass nur eine bestimmte Menge in einer bestimmten Zeit weiter transportiert werden kann. Das ist die eigentliche Verteilerzentrale zum Blutkreislauf. An diesem Punkt entscheidet sich der Weitertransport von Eiweiss, also deshalb kein Yoghurt mit Medikamenten nehmen, denn dieses wird genauso durch die Darmwand transportiert und behindert daher die Aufnahme von Levadopa, dem wichtigsten Stoff in der Parkinsontherapie.
Man sollte auch kein Vitamin B-Präparat gleichzeitig mit dem Medikament einnehmen, weil es die Dopamin-Aufnahme reduziert und die ON-/OFF-Phasen dadurch verändert werden.
Die nächste Station des Speisebreis ist der Dickdarm, der nicht nur wegen seines größeren Umfangs so heißt, sondern vor allem deshalb, weil der Speisebrei dort eingedickt wird. Hier wird also dem Speisebrei, man spricht jetzt bereits von Kot, Wasser entzogen, was bei Darmträgheit zur Verhärtung und Trockenheit des Kotes führt. Es ist also besonders wichtig, den Darminhalt hier weich und gut weitertransportierbar zu halten. Daher muss man 2 Liter Wasser (auch in Form von Tees, Säften oder Suppen) über den Tag verteilt zu sich nehmen. Mehr als 2 Liter Flüssigkeit sind unbedenklich. Wer unter Verstopfung leidet, der sollte täglich 1 Säckchen Movicol oder Forlax zu sich nehmen. Diese, nicht chemisch wirkenden Präparate, zeichnen sich gegenüber Abführmitteln dadurch aus, dass sie Wasser im Darm halten und den Kot dadurch geschmeidig und besser transportierbar machen. Der Enddarm, die letzte Station vor dem Ausgang, ist der Speicher von Kot.
Das Alter bringt einige Veränderungen mit sich. Alles wird schlechter, alle Stoffwechselvorgänge des Körpers verlangsamen sich, auch ohne Parkinson. Auch der Geruchs- und Geschmacksinn ist verringert. Menschen die allein leben, und nicht mehr wie gewohnt kochen, haben oft eine unzureichende Versorgung an Nährstoffen und Vitaminen.
Dieser Mangel verstärkt wiederum die Müdigkeit. Es ist anzumerken, dass ein abnehmender Geruchssinn auch ein Vorzeichen für Parkinson sein kann. Die Verminderung des Geruchsinns wird deshalb von den Betroffenen als störend empfunden, weil er variantenreicher ist als der Geschmackssinn. Er ist auch ein wichtiger Warnmechanismus vor Giftstoffen in der Luft.
Essen, das von uns als besonders wohlschmeckend eingestuft wird, ist oft mit Glutamat angereichert. Es findet sich nicht nur in Fertiggerichten, es wird z. B. auch Wurstwaren beigemischt. Glutamat sollte nur in geringen Mengen verzehrt werden, weil es die Medikamentenwirkung ungünstig beeinflusst.
Das Essen von Süßigkeiten stellt kein Problem dar, weil es bedingt durch Überbewegungen (Dyskinesien) zu einem erhöhten Energiebedarf kommen kann.
Wer meint, sein Gewichtsproblem dadurch in den Griff zu bekommen, sollte bedenken, dass dabei vorrangig Muskelmasse abgebaut und Wasser ausgeschieden wird, was sich zwar auf der Waage als Gewichtsreduktion anzeigt, aber trotzdem kein wünschenswerter Effekt ist.
„Guten Appetit bei Morbus Parkinson“
Krista Stampfer ist als Diätologin tätig und arbeitet in der Privatkrankenanstalt Confraternität. Da das Thema Ernährung unerschöpflich ist, hat sie drei Themenschwerpunkte ausgewählt über die sie nachfolgend referierte:
- Eiweiss
- Mangelernährung
- Verdauung
Wie bekannt, soll man Madopar nicht gleichzeitg mit Eiweiss zu sich nehmen und entweder 1 ½ Stunden vor der Medikamenteneinnahme, oder zwei Stunden danach keine Eiweissprodukte verzehren.
Weniger bekannt ist, dass die Eiweissmenge pro Mahlzeit nicht mehr als 30 Gramm ausmachen sollte und der Tageshöchstwert maximal 60 – 80 Gramm nicht überschreiten sollte. Zum besseren Verständnis: ein Handteller großes Schnitzel hat ca. 30 Gramm Eiweiß, das würde also bedeuten: 2 Schnitzel pro Tag.
Im Idealfall sollte sich die Eiweissmenge so über den Tag verteilen:
Frühstück: 2 Scheiben Brot, Kaffee, Butter, Marmelade – 15 Gramm Eiweiß
Mittagessen: Spinat mit Spiegelei und Kartoffeln, 1 Glas Orangensaft – 15 Gramm Eiweiß
Abendessen: 10 dag Fisch, Brot, 1 Yoghurt – 30 Gramm Eiweiß
Gesamtkalorienzahl: 1.800
Wie viel Ballaststoffe sollte man am Tag zu sich nehmen?
20 – 30 Gramm ist genug. Gute Ballaststofflieferanten sind Erbsen, Bohnen und Linsen, aus denen man, im Winter besonders empfehlenswert, wohlschmeckende Eintöpfe machen kann.
Verstopfung:
Empfehlenswert sind Vollkornprodukte, oder sind z.B. Leinsamen. Wichtig ist, dass man dazu viel trinkt, damit er seine Wirkung im Darm entfalten kann. Ein weiteres, hochwirksames Naturmittel sind Dörrzwetschken. Sie müssen allerdings unbedingt über Nacht eingeweicht werden, da sie erst im aufgequollenen Zustand dem Darm keine Flüssigkeit entziehen und wirken können. Man isst 6 Stück davon über den Tag verteilt.
Fau Stampfer stellt „Optifibre“ vor, ein Nahrungsergänzungsmittel, das stuhlregulierend eingesetzt wird und mit dem man im Spitalsalltag sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Es ist gleichermaßen bei Verstopfung als auch bei Durchfall einsetzbar. Man nimmt bei Bedarf 1-3 EL (bis zu 8 EL pro Tag unbedenklich) täglich. Nach 3 Tagen bis zu 2 Wochen tritt die Wirkung ein. Es ist geschmacklos und kann in Suppen oder Yoghurt eingerührt werden. Es ist allerdings vom Patienten selbst zu kaufen und mit ca. 15 Euro pro Dose nicht gerade billig.
Bei Durchfall empfiehlt sie „HIPP OAS 200“. Das Gläschen zu 1 Euro gibt es in der Apotheke. Es schmeck nicht so gut, ist aber so wirksam, dass es in keiner Hausapotheke fehlen sollte. Man kann bei Bedarf 3 Fläschchen pro Tag trinken. Man sollte dazu jedoch auch „Isostar“ trinken. Es ist übrigens bekannt, dass das Medikament Stalevo Durchfall auslösen kann.
Bei Bauchzwicken und Blähungen empfiehlt sie „Iberogast“. 20 Tropfen bringen bereits eine Viertelstunde nach der Einnahme eine merkbare Erleichterung.
Bei Mangelernährung empfiehlt sie das Nahrungsergänzungsmittel „Resource“ ein Produkt, das durch 40 unterschiedliche Geschmacksrichtungen besticht.
Personen mit Schluckstörungen empfiehlt sie das Eindickungsmittel „Nutrilis“, das für alle flüssigen Speisen, inklusive Wasser (= zur Medikamenteneinnahme), geeignet ist.
Sie rät Patienten auch zum Verzehr von Eiern, die, anders als man einige Zeit gehört hat, keine negativen Auswirkungen auf das Cholesterin haben, sondern im Gegenteil ein vollwertiges Lebensmittel darstellen, das abwechslungsreich zubereitet werden kann und dessen Anteil an Lutein auch gut für die Sehkraft ist.