„Altbekanntes und Neues“ – 50 Jahre Dopa-Therapie
anlässlich des Jour Fixe der Parkinson Selbsthilfe Wien am 22. 09. 2011, im Wilhelminenspital, 1160 Wien, Montleartgasse
Vortragender: Univ.Prof. Dr. Thomas Brücke
Protokoll: Renate Lemanski
Der Durchbruch zum Verständnis und der Behandlung der Parkinson Krankheit erforderte in den 1950er Jahren das Zusammenwirken von 3 Wissenschaftlern: Arvid Carlsson, Oleh Hornykiewicz und Walter Birkmayer, die von jeweils unterschiedlichen Gedankenansätzen ausgehend die Grundlagen der heutigen Parkinson Therapie geschaffen haben.
1) Daten zur Geschichte:
Arvid Carlsson (1923 Uppsala/Schweden, Studium der Medizin und Tätigkeit an der Pharmakologie in Lund und später in Göteborg), erkannte bei seinen Forschungsarbeiten in den Jahren 1957 bis 1959 als Erster die Tatsache dass Dopamin ein wichtiger Überträgerstoff im Zentralnervensystem ist, der für die Kontrolle von Bewegungen wesentlich ist und stellte damit einen möglichen Zusammenhang mit M. Parkinson her. Er erhielt für seine Arbeiten, unter anderem für die Beschreibung des Effekts von DL-Dopa auf die Reserpin-induzierte Akinese bei Kaninchen (die Arbeit wies, durch Messungen von Dopamin im Kaninchenhirn, die Entleerung der Dopaminspeicher durch Reserpin und die Wiederauffüllung durch DL-Dopa nach) und die Beschreibung der Dopamin Verteilung im Gehirn im Jahr 2000 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.
Ohle Hornykiewicz (1926 Lemberg/Polen, Studium der Medizin in Wien, Arbeit an der Pharmakologie Wien) zeigte 1960 die Dopamin- und Noradrenalinverteilung im menschlichen Gehirn auf, sowie den Dopaminverlust im Striatum bei Parkinson, und wies 1961 – gemeinsam mit Birkmayer – den L-Dopa-Effekt bei Parkinson nach.
Walter Birkmayer (1910-1996, Wien, Studium der Medizin, Neurologie/Psychiatrie Ausbildung) verabreichte 1961 auf Anregung von Hornykiewicz erstmals l-Dopa an Parkinsonpatienten und führte zahlreiche klinisch-pharmakologische Untersuchungen bei Parkinson durch. 1967 folgte erstmals die Kombinationstherapie von l-Dopa und Decarboxylase Hemmer und – gemeinsam mit P. Riederer – die Einführung von Selegilin in die Parkinson-Therapie.
Die Forschungsarbeit 1958 – 1960 in Wien
1958 Honykiewicz und Holzer untersuchen Dopamin und seine Beeinflussung durch MAO-Hemmer im Rattengehirn
1958 Birkmayer möchte im Gehirn von 2 verstorbenen Parkinsonpatienten Serotonin im Hypothalamus untersuchen lassen und wendet sich an F. Brücke, der Hornykiewicz für die Untersuchungen empfiehlt
1959 Hornykiewicz und Ehringer beginnen mit Dopaminmessungen im menschlichen Gehirn, erste Ergebnisse im Dezember
1960 bis September sind Hirne von 17 Kontrollen und 6 Parkinsonpatienten und 2 Patienten mit Chorea Huntington untersucht, die Ergebnisse erscheinen noch im Dezember in einer deutschsprachigen Zeitschrift
1961 auf Empfehlung von Honykiewicz behandelt Birkmayer die ersten Patienten mit L-Dopa
Im Gegensatz zu den Labors in Schweden und England, wo es bereits moderne Messgeräte zur Bestimmung von Dopamin gab, musste an der Pharmakologie in Wien noch ziemlich unkonventionell improvisiert werden.
Es hat sich im Lauf der Jahrzehnte eindeutig erwiesen, dass Dopa die beste Wirksamkeit bei der Behandlung von Parkinson-Patienten hat. Man spricht daher gerne auch vom „Gold-standard“.
2) Neueres zur Neuroprotektion:
Medikamente:
MAO-B Hemmer Selegilin = Deprenyl (Jumex R)
Wirkungsweise: Verzögerter Dopaminabbau durch Blockade der Dopamin Oxidation
Indikationen: Initiale Monotherapie zur Verzögerung des Dopa-Einsatzes
Kombinationstherapie bei Fluktuationen
Rasigilin (Azilect R)
MAO-B Hemmer ähnlich dem Seligilin (Jumex R) wird nicht wie Seligilin zu Amphetamin und Metamphetamin metabolisiert und hat dadurch eine geringere Potenz für psychotische Nebenwirkungen und somit eine möglicherweise bessere neuroprotektive Wirkung (im Tierversuch zeigen sich neuroprotektive Effekte, aber die Ergebnisse von Tierversuchen sind leider nicht immer auf Menschen übertragbar).
Erläuterung des „delayed start“ Modells für Studien zur Neuropprotektion.
Die sogenannte „Adagio-Studie“ wurde an vier unterschiedlichen Gruppen, eingeteilt in früher und verzögerter Start sowie eine unterschiedlicher Dosierungshöhe (1mg und 2mg Rasigilin), vorgenommen. Das Ergebnis zeigt, dass eine frühzeitige Einleitung der Parkinson Behandlung mit Rasagilin zu einer stärkeren Verbesserung der Symptome führt als ein um 9 Monate verzögerter Beginn. Die Intervention kann als neuroprotektiv gewertet werden. Der Effekt könnte eine direkte Wirkung von Rasagilin sein oder durch die Unterstützung kompensatorischer Mechanismen durch früheren Behandlungsbeginn hervorgerufen sein.
Sport und Bewegung als Neuroprotektion:
In den letzten Jahren zeigten zahlreiche Untersuchungen an Tiermodellen der Parkinson Krankheit neuroprotektive Effekte durch verstärkte motorische Aktivität. Das zeigte sich einerseits durch den verminderten Untergang von dopaminergen Nervenzellen und der vermehrten Bildung von bestimmten Wachstumsfaktoren im Gehirn andererseits. Weitere Studien zeigen, dass durch eine höhere körperliche Aktivität das Risiko an Parkinson zu erkranken um bis zu 40% vermindert wird.
Vieles weist darauf hin, dass der Krankheitsverlauf bei Parkinson durch motorische Aktivität und Training ebenfalls günstig beeinflusst werden kann (Neuroprotektion)! Dies betrifft nicht nur die motorischen Symptome, sondern auch die nicht-motorischen, wie Gedächtnisstörung, Depression und Angst. Eine Studie (Niederlande) belegt, dass Nordic Walking positive Auswirkung auf die Mobilität von Parkinson-Patienten hat.
Daraus lässt sich ableiten, dass:
Trainings- und Fitnessprogramme für Parkinson-Patienten forciert werden sollten
Die medikamentöse Therapie so beschaffen sein sollte, dass Patienten die bestmögliche Beweglichkeit und Motivation erreichen, um solche Fitnessprogramme durchführen zu können.
Neuestes und Zukunftsmusik in der Parkinsontherapie
Eine kontrollierte Studie aus dem Jahr 2011 (P. LeWitt et al, Lancet Neurology) beschreibt zum ersten Mal einen signifikanten positiven Effekt einer Gentherapie für Parkinson-Patienten. Durch Einbringen des Gens für das Enzym GAD in den Nucleus Subthalamicus, kommt es zu einer Zunahme der GABA-Synthese und dadurch wird die Hemmung der Nervenzellen in diesem Kern verstärkt. Ähnliche Wirkmechanismen werden auch für die tiefe Hirnstimulation vermutet. Etwa ein halbes Jahr nach der Operation sind deutliche Verbesserungen sichtbar.
Patientenfragen:
Leert viel Bewegung nicht den Dopaminspiegel vorzeitig?
Nein, das wurde zwar lange Zeit angenommen, gilt inzwischen jedoch als überholt.
Wie sinnvoll ist die Einnahme von Azilect bei langer Parkinson-Karriere?
Die Einnahme ist sinnvoll.
Wann soll man mit der Einnahme von Azilect aufhören?
Man sollte möglichst gar nicht damit aufhören. Es handelt sich jedoch dabei um ein sehr teures Medikament und die Krankenkasse kann sich weigern die Kosten auf lange Zeit zu tragen. In so einem Fall ist ein Umstieg auf Jumex möglich.
Wirkt die Tiefe Hirnstimulation (DBS) neuroprotektiv?
Die DBS wird auf Grund von neuen Studien, anders als früher, schon bei jüngeren Patienten eingesetzt, um ihnen den Zeitraum bestmöglicher Lebensqualität im besten Alter zu erhalten und die Medikamenteneinnahme zu reduzieren. Die Krankheit schreitet aber trotz der DBS fort.
Welchen Vorteil hat die Duodopa-Pumpe?
Durch diese Therapie wird ein stabiler Plasmaspiegel von L-dopa erreicht was zu einer deutlichen Verminderung von Schwankungen der Beweglichkeit (Fluktuationen, on/off Phasen) und überschüssigen Bewegungen (Dyskinesien) führt.
Wie wirkt Apomorphin?
Apomorphin ist ein Dopamin-Agonist ( vergleichbar mit Permax u.a.) und eine sehr wirksame Substanz, die vom Patienten selbst subcutan (=unter die Haut) gespritzt werden kann. Apomorphin kann Wirkungsschwankungen für 1 Stunde überbrücken kann jedoch unter Umständen Überbewegungen und Halluzinationen fördern.
Mit der Apomorphin-Pumpe wird das Medikament kontinuierlich subcutan verabreicht und führt dadurch auch zu einer Abnahme der Fluktuationen.