Aktuelle Therapiestudien beim Morbus Parkinson

Wiener Krankenanstalten Verbund, Wilhelminenspital,
Neurologie, Primarius Pirker;
Photo: Bernhard Noll / KAV

Die Parkinson-Krankheit ist durch eine Vielzahl motorischer und nicht-motorischer Symptome charakterisiert. Grundlage ist ein schleichender Verlust von Dopamin-produzierenden und anderen Nervenzellen im Gehirn. Die motorischen Kardinalsymptome der Erkrankung (Bewegungsverlangsamung, Steifheit, Zittern) sprechen auf den Dopaminersatz durch die Vorläufersubstanz L-Dopa meist gut an. L-Dopa ist 50 Jahre nach seiner Einführung weiter die wirksamste orale Parkinsontherapie. Es kann aber den fortschreitenden Nervenzellverlust nicht aufhalten, führt zu motorischen Komplikationen (Tagesschwankungen = Fluktuationen und Überbewegungen = Dyskinesien) und ist wenig bzw. nicht wirksam gegen zahlreiche nicht-motorische Symptome der Erkrankung. Die Anstrengungen in der Entwicklung von neuen Parkinson-Medikamenten richten sich daher in drei Richtungen:

  1. Entwicklung von Substanzen, die den Krankheitsverlauf verändern (Krankheits-modifizierende, neuroprotektive Substanzen),
  2. Entwicklung von Substanzen, die zu einer besseren Kontrolle motorischer Symptome führen,
  3. Entwicklung von Substanzen gegen nicht-motorische Symptome.

Gegenwärtig sind auf der Studienseite des NIH (National Institute of Health der USA, https://clinicaltrials.gov/) ca. 150 Parkinson-Medikamentenstudien, die aktiv Patienten einschließen, registriert.

Krankheits-modifizierende Substanzen

Ca. 5-10% der Parkinson-Patienten leiden unter einer vererbten Parkinson-Krankheit. Die Charakterisierung der verantwortlichen Gene hat wesentlich zum Verständnis der Entstehungsmechanismen der Erkrankung beigetragen. Alpha-Synuklein ist ein Eiweißkörper (Protein) in Nervenzellen, der in der Freisetzung von Nervenüberträgerstoffen wie Dopamin involviert ist. Veränderungen (Mutationen) im Gen für Alpha-Synuklein führen zu seltenen erblichen Formen der Parkinson-Krankheit. Alpha-Synuklein ist aber generell Hauptbestandteil von Proteinverklumpungen (Lewy Körperchen) in absterbenden Nervenzellen beim Morbus Parkinson. Es dürfte daher auch an der Entstehung des nicht-erblichen, „sporadischen“ Morbus Parkinson, der ja 90% der Patienten betrifft, beteiligt sein. Gegenwärtig sind zahlreiche Strategien, den Gehalt von Alpha-Synuklein in Nervenzellen zu reduzieren, in Entwicklung. Dazu gehören Impfstoffe (aktive Immunisierung) gegen Alpha-Synuklein, Antikörpertherapien (passive Immunisierung) und Medikamente in Tablettenform, die die Bildung von Alpha-Synuklein hemmen wie z.B. der Wirkstoff anle-138b oder das Alzheimer-Medikament Memantin. Erste Sicherheitsstudien (sogenannte Phase I-Studien) mit dem Impfstoff der Firma Affiris (Affitop PD01A) wurden erfolgreich abgeschlossen. Weiterführende Studien mit diesem Impfstoff, die den Wirknachweis erbringen sollen, sind geplant.

Weitere Proteine, die zur Entwicklung des M. Parkinson beitragen könnten, sind LRRK2 (im Englischen als „lark two“ ausgesprochen) und die Glukozerebrosidase (GBA). LRRK2-Mutationen sind in Gesellschaften um das Mittelmeer eine relativ häufige, bei uns seltene, Ursache für erblichen Parkinson. Die Mutation eines GBA-Gens kommt dagegen auch in Österreich nicht selten vor. Es handelt sich dabei um ein Gen, das nicht zwangsläufig zur Erkrankung führt, aber mit einem erhöhten Risiko für Morbus Parkinson, assoziiert ist. Gegenwärtig laufen Studien mit kleinen Molekülen und mit Antisense-Oligonukleotiden, die die Bildung von LRRK2 bzw. GBA hemmen sollen. Die Antisense-Oligonukleotid-Behandlung ist eine hochinnovative Technik, bei der die Übersetzung der im DNA-Strang enthaltenen Erbinformation in RNA und weiter in das betreffende Protein gehemmt wird. Diese Technik hat erste Erfolge bei bestimmten Muskelkrankheiten (Spinale Muskelatrophie) und bei der Huntington-Krankheit gebracht und ist ein großer Hoffnungsträger für andere Erbkrankheiten.

In die Entstehung des M. Parkinson ist möglicherweise auch die Darmflora involviert. Ein interessanter neuer Therapieansatz ist die Beeinflussung der Darmflora („Makrobiom“) durch Medikamente. Weitere potentiell krankheits-modifizierende Substanzen, die gegenwärtig untersucht werden, zielen auf die Beeinflussung entzündlicher Mechanismen und der Zellatmung (Mitochondrien-Funktion) beim Morbus Parkinson ab.

Erste Studien zeigten, dass eine Gruppe von Medikamenten gegen Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), die sogenannten Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) Agonisten wie z.B. Exenatid Nervenzellen schützen könnten. Mehrere Studien mit Medikamenten aus dieser Substanzklasse bei Morbus Parkinson laufen gegenwärtig. Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten wird versucht, die Krankheit mit Wachstumsfaktoren wie GDNF zu beeinflussen. Der modernste Weg ist dabei die Gentherapie, bei der ein neurochirurgisch in die tiefen Kerne des Gehirns eingebrachtes, verändertes Virus zu einer verstärkten Bildung des betreffenden Wachstumsfaktors führt. 

Substanzen gegen motorische Symptome

Mehrere neue Formulierungen von L-Dopa, die zu einem rascheren Wirkungseintritt oder einer längeren Wirkdauer führen sollen, sind gegenwärtig in Entwicklung. Eine inhalative Form von L-Dopa, die rasch gegen Off-Phasen wirken soll, ist in den USA bereits im Einsatz. In Entwicklung sind neue langwirksame („Retard“) Präparate von L-Dopa. Eine interessante Entwicklung für Patienten mit schweren Tagesschwankungen ist subkutan (unter die Haut) zu verabreichendes L-Dopa. Gelformen von L-Dopa für die Verabreichung in den Dünndarm (über eine Ernährungssonde; gegenwärtig das Präparat Duodopa®) sind in Weiterentwicklung. Auch werden Dopamin-abbauende Medikamente wie MAO-B und COMT Hemmer weiter untersucht.

Apomorphin ist ein Dopaminagonist, der subkutan als Notfalltherapie oder zur Dauerinfusion per Pumpe eingesetzt wird. Es ist die einzige Parkinson-Substanz, die gleich stark wirkt wie L-Dopa. Seit vielen Jahren wird versucht, die Verabreichung von Apomorphin durch Entwicklung neuer Formulierungen der Substanz zu vereinfachen. Eine unter die Zunge (sublingual) zu verabreichender Apomorphin-hältiger Streifen hat sich in einer ersten großen Studie als wirksam erwiesen und ist in den USA bereits zugelassen. Eine Studie, die dieses sublinguale Apomorphin mit dem bisher üblichen Apomorphin-Pen (Apo Go®) vergleicht, läuft gegenwärtig u.a. an der Med. Universität Innsbruck und in Wien (Wilhelminenspital).

Ein interessanter Ansatz ist der Versuch, die Sturzgefährdung beim M. Parkinson über eine Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit mittels Rivastigmin, das bislang für die Parkinson-Demenz eingesetzt wird, zu beeinflussen. Gegen schmerzhafte Verkrampfungen z.B. der Zehen (Dystonie) beim M. Parkinson werden fallweise bereits seit längerem Injektionen mit Botulinumtoxin eingesetzt. Seit kurzem laufen auch gut geplante Studien zur Behandlung von Dystonien beim M. Parkinson.

Substanzen gegen nicht-motorische Symptome

Die Parkinson-Krankheit geht mit einer Vielzahl nicht-motorischer Symptome einher und nur gegen wenige dieser Symptome gibt es gut untersuchte Medikamente. Dazu zählen z.B. moderne Antidepressiva, Quetiapin und Clozapin gegen Halluzinationen, Rivastigmin gegen die Parkinson-Demenz, Macrogol und Ballaststoff-hältige Substanzen gegen Verstopfung und Fludrocortison und Midodrin gegen Schwindel und niedrigen Blutdruck beim Aufstehen (Orthostatische Hypotension). Für zahlreiche, zum Teil sehr behindernde Symptome wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Unruhe und Überaktivität, Blasenprobleme, Schmerzen, erhöhte Temperaturempfindlichkeit und Schwitzen gibt es keine Medikamente bzw. keine Studien, die eine Medikamentenwirkung ausreichend belegen.

Zu den Substanzen, die gegenwärtig untersucht werden, zählt z.B. Ampreloxetin, ein neues Medikament gegen die Orthostatische Hypotension, das im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Substanzen gegen niedrigen Blutdruck nicht zu einem überschießenden Blutdruckanstieg führen soll (Studienzentren in Österreich: Med. Universität Innsbruck, Wilhelminenspital in Wien und Klinikum Tulln). Das Medikament wird nicht nur bei der Parkinson-Krankheit, sondern auch bei der Multisystematrophie untersucht. Diese atypische Parkinson-Form ist durch früh auftretende, schwere autonome Störungen wie Harninkontinenz und schwere Blutdruckregulationsstörungen mit häufigen Ohnmachtsanfällen (Synkopen) gekennzeichnet.

Weitere Medikamente in fortgeschrittenem Untersuchungsstadium (Phase 3) sind Buspiron gegen Angst, Escitalopram im Vergleich zu Nortryptilin gegen die Parkinson-Depression und Solifenacin gegen Reizblasen-Symptome. Gegen den mit M. Parkinson assoziierten Schmerz laufen Studien mit dem Opioid Oxycodon und mit dem bislang gegen Wirkungsschwankungen eingesetzten MAO-B Hemmer Safinamid (Österreichische Studienzentren: Med. Universität Innsbruck und Donauspital). Gegen Müdigkeit (Fatigue) wird das in den USA und Japan gegen Orthostatische Hypotension zugelassene Droxidopa (ein Vorläufer der Nervenüberträgersubstanz Noradrenalin) getestet.

 Zusammenfassend stehen für die Parkinson-Krankheit im Vergleich zu anderen neurodegenerativen Erkrankungen bereits jetzt viele symptomatische Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Gleichzeitig sind viele Probleme der Erkrankung, nicht zuletzt das Fortschreiten des Nervenzellverlusts, ungelöst. Neue Erkenntnisse über die Entstehungsmechanismen der Erkrankung, die vor allem durch Untersuchung von erblich bedingtem Parkinsonismus gewonnen werden, wecken die Hoffnung auf die Entwicklung krankheitsmodifizierender Therapien in naher oder mittlerer Zukunft. Insbesondere die Reduktion von Alpha-Synuklein und anderer in die Entstehung der Erkrankung involvierter Proteine erscheint als erfolgversprechende Strategie. Bis aber krankheitsmodifizierende Medikamente verfügbar sind, besteht Bedarf an neuen symptomatischen Therapien gegen die motorischen und zahlreichen nicht-motorischen Symptome der Erkrankung. Gut geplante und ausreichend große wissenschaftliche Studien, in denen die Wirkung neuer Substanzen mit bereits verfügbaren Medikamenten oder einem unwirksamen Scheinmedikament (Placebo) in verblindeter Form verglichen werden, sind unverzichtbar für die Entwicklung dieser neuen Therapien.

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