Der Verkauf von gefälschten und minderwertigen Arzneimittel im Internet

An der österreichweiten Patientenbefragung 2007[i] nahmen 300 Parkinson Betroffene teil. Mit der Befragung sollten Mitarbeiter des österreichischen Gesundheitssystems über die wichtigsten Patientenbedürfnisse aufgeklärt werden. Bei einigen dieser Bedürfnisse geht es, unter anderem, um Dauerverschreibungen, Medikamentengroßpackungen sowie die problemlose Kostenübernahme aller schulmedizinischen Therapien für die Parkinson Betroffenen. Diese drei Forderungen wurden auch in der Broschüre „PatientenDialog Parkinson 2009“[ii] noch einmal hervorgehoben. Papier ist aber, wie man weiß, geduldig.     

Wäre es daher nicht einfacher sich die nötigen Medikamente durch ein paar Klicks im Internet zu besorgen, statt stundenlang in einem Wartezimmer auf ein Rezept zu warten? Diese Überlegung ist sicher verständlich. Worauf man aber hinweisen muss ist: Eine Bestellung von Arzneimittel im Internet ist sehr gefährlich und davon wird dringend abgeraten. Im Internet zirkuliert eine immense Zahl von gefälschten und minderwertigen Arzneimittel. Diese können mehr Schaden als Nutzen anrichten.   

Zuerst einmal gehört aber geklärt, was genau gefälschte oder minderwertige Arzneimittel sind. Die Weltgesundheitsorganisation (englisch: World Health Organisation – WHO) definiert die gefälschten Arzneimittel als Medikamente, die „… absichtlich und in betrügerischer Absicht bezüglich der Identität und/oder Herkunft falsch ausgezeichnet werden. …“. Die minderwertigen Arzneimittel werden als „ … Produkte, deren Zusammensetzung und Bestandteile nicht den korrekten wissenschaftlichen Spezifikationen entsprechen und die dadurch unwirksam und häufig auch gefährlich für den Patienten sind“ bezeichnet. In Extremfällen können diese „Medikamente“ sogar tödlich sein.

Die Betreiber der gefälschten oder minderwertigen Arzneimittel möchten bei den Käufern den Eindruck erwecken echte Medikamente zu verkaufen, die von den zuständigen Behörden autorisiert worden sind und im Einklang mit den europäischen Gesetzen stehen. Leider sind diese lebensgefährlichen Fälschungen zu einem weltweiten Phänomen geworden. Sowohl die WHO als auch die Institutionen der Europäischen Union gehen davon aus, dass diese „Arzneimittel“ eine zunehmende und ernste Bedrohung darstellen.

Diese „Medikamente“ sind oft kontaminiert und enthalten falsche Zutaten. Auch wenn sie die richtigen Inhaltsstoffe haben (können), sind deren Messwerte falsch zusammengesetzt. Das Problem ist, dass diese „Arzneimittel“ genauso wie die zugelassenen Medikamente aussehen und man sie daher kaum unterscheiden kann. Um den Unterschied feststellen zu können, müssen die chemischen Inhaltsstoffe analysiert und mit denen des ursprünglichen Herstellers, der eine medizinische Zulassung hat, verglichen werden.   

Oft wird angenommen, dass diese Fälschungen nur auf die Lebensstilmedizin (Medikamente gegen erektile Dysfunktion und Arthritis, Schlankheitspillen, u.v.m.) beschränkt sind. Diese Annahme ist leider falsch, denn es werden u.a. auch Parkinson-, Demenz-, Herz- und Diabetesmedikamente sowie Antibiotika gefälscht und verkauft.

Sind die gefälschten Arzneimittel wirklich so gefährlich? Ja! Oft geht man davon aus, dass sie nur eine Kopie der zugelassenen Medikamente sind, die richtige Dosierung der Inhaltsstoffe haben und in hygienischen Umständen hergestellt worden sind. Das stimmt allerdings nicht. Ein Großteil der Fälschungen enthält schädliche Stoffe wie z.B. Schwermetalle, Borsäure, Bleifarbe, Fußbodenpolitur, um nur einige zu nennen.

Nicht selten bestellen Menschen Medikamente nachdem sie gehört haben, dass sie bei jemanden anderen „Wunder“ bewirkt haben. Oder weil man sich einbildet eine Erkrankung/eine Beschwerde zu haben über die man irgendwo gelesen bzw. gehört hat. Von einer Selbstdiagnose und einer Selbstmedikation ist strikt abzuraten. Wer kein Arzt oder Apotheker ist, kennt sich mit den Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen nicht aus. Daher soll man Experimente dieser Art unterlassen!

Weswegen entscheidet man sich überhaupt dazu ein Medikament im Internet zu kaufen? Die Gründe für den Kauf sind unterschiedlich. Oft wird angenommen, dass die Medikamente aus dem Internet billiger sind als die herkömmlichen Arzneimittel aus der Apotheke. Diese „Medikamente“ sind aber keine billige Alternative und es hat sich gezeigt, dass sie wesentlich teurer sind als angenommen. Die Käufer bestellen Online, weil sie sich oft schämen die gewünschten Arzneimittel von einem Arzt verschrieben zu bekommen und sie dann in der Apotheke zu kaufen. Oder weil sie in einer Ordination lange warten müssen, um einen Rezept zu erhalten. Wenige Besteller wissen aber, dass sie sich durch die Bestellung bei den nicht zertifizierten Websites sogar strafbar machen.

Die Zahl der zugelassenen Online-Apotheken in jedem Land der Europäischen Union ist unterschiedlich. Dazu kommt noch, dass nicht alle Online-Apotheken verschreibungspflichtige Medikamente verkaufen. Die Apotheken, die die verschreibungspflichtigen Arzneimittel verkaufen dürfen, stellen diese nur gegen ein (überprüftes) Rezept aus. Im Gegensatz dazu verlangen die illegalen Betreiber kein Rezept und meistens steckt dahinter auch kein Apotheker, der danach fragen würde. Wenn eine Online-Apotheke also für ein verschreibungspflichtiges Medikament nicht nach einem Rezept fragt, operiert sie zu 100% rechtswidrig.

Was weiß man über die kriminelle Tätigkeit der illegalen Online-Apotheken? Oft sehen die Websites, die gefälschte Medikamente und andere Präparate verkaufen, attraktiver aus als die der zugelassenen Online Apotheken. Das Problem ist, dass deren Authentizität sowie die Echtheit der angebotenen Produkte immer schwieriger festzustellen sind. Es kommt auch vor, dass eine gefälschte Website eine indische Domain benutzt, der Server in China ist, die Kontoangaben auf eine Bank mit Sitz auf den Kaimaninseln hinweisen und die Adresse und die (erfundene) Telefonnummer aus Kanada stammen. Nicht alle Beispiele sind so krass, aber sehr selten sind sie leider auch nicht. 

Die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation (INTERPOL) und das Europäische Polizeiamt (EUROPOL) unternahmen seit 2009 zahlreiche erfolgreiche Aktionen gegen Kriminelle, die im Internet Medikamente anbieten und verkaufen. Laut dem EUROPOL Jahresbericht für 2015[iii] beteiligten sich 115 Staaten an einer der Polizeiaktionen. Im Laufe der Aktion wurden 429 (Strafrechtliche)Ermittlungen eingeleitet und 156 Personen verhaftetet. Außerdem wurden 2.414 Websites geschlossen, 550 Werbungen aus dem Internet entfernt, 50.000 (Versand)Pakete und 20.700.000 Medikamente beschlagnahmt. Trotz den polizeilichen Bemühungen gelingt es den Kriminellen relativ schnell ihr „Geschäft“ wiederaufzunehmen.

Denn es handelt sie um einen riesen Geschäft mit dem man 2000-mal mehr verdient, als man mit den zugelassenen Medikamenten verdienen würde. Laut dem International Institute of Research against Counterfeit Medicines (IRACM)[iv] benötigt man 1000 US$ (950€) um in ein solches „Geschäft“ einzusteigen. Mit dem Betrag werden die nötigen Rohstoffe, Tablettenpress- und Druckmaschinen sowie Blisterverpackung besorgt. Der Gewinn einer solchen „Investition“ beträgt oft 500.000 US$ (470.000 Euro). Der genaue Umfang der gefälschten Medikamente ist schwer einzuschätzen. Laut INTERPOL sind die jährlich erzielten Gewinne riesig und werden weltweit auf ungefähr 75 Milliarden US$ (71 Milliarden Euro) geschätzt. Außerdem wird vermutet, dass 1% der gefälschten Arzneimittel in den Industrieländern im Umlauf ist, während 10-50% in den Entwicklungsländern verkauft werden.  

Sollte das immer noch nicht überzeugend klingen, dann sind hier weitere Risiken aufzulisten, denen man sich – durch den Kauf von den gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln – aussetzt. Zu aller erst ist das Ihre Gesundheit und nicht selten auch Ihr Leben. Der Käufer setzt sich außerdem einer vielfältigen (Internet)Kriminalität aus. Damit ist Folgendes gemeint:

1) Ihre Identität kann gestohlen und für verschiedene kriminellen Handlungen verwendet werden.

2) Ihre Bank- und Kreditkartendaten können gestohlen und von den Kriminellen missbraucht werden.

3) Alle Ihre persönlichen Daten können geklont und Ihr Computer kann, durch eine Schadensoftware, mit Viren beschädigt werden.

4) Die angebotene Ware ist, wie schon erwähnt, meistens teurer als die rechtmäßigen Arzneimittel in einer registrierten (Online)Apotheke.

Ist es wirklich wert so ein hohes Risiko einzugehen?

Und zum Schluss: Was und wieviel wissen die europäischen Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen über diese Problematik? Die meisten richten ihre Aufmerksamkeit auf das Wohlergehen der Betroffenen und deren Angehörigen und stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Selbstverständlich wissen viele von ihnen über dieses Problem Bescheid, haben aber oft weniger Zeit und Mittel sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen. Sicher wäre es hilfreich Fachleute einzuladen, um über diese Problematik mehr zu erfahren.     

Im Gegensatz zu ihnen widmet sich die Europäische Allianz für den Zugang zu sicheren Medikamenten[v] (European Alliance for Access to Safe Medicines – EAASM) ausschließlich dieser Problematik. Die EAASM ist eine unabhängige und interdisziplinäre Patientenorganisation, die 2007 gegründet wurde. Ihr Ziel ist es die gefälschten und minderwertigen Arzneimittel vom Markt zu entfernen und dadurch für die Sicherheit von Patienten in ganz Europa zu sorgen. Vor allem aber setzt sie sich dafür ein, auf das Problem aufmerksam zu machen sowie die Risiken und Gefahren in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Um diese vielschichtige Problematik erfolgreich bekämpfen und ihre Ziele umsetzen zu können, arbeitet sie eng mit den EU Mitgliedstaaten, den EU Institutionen und den Pharmafirmen zusammen.

Was sind gefälschte oder minderwertige Arzneimittel?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet zwischen gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln und hat sie folgendermaßen beschrieben:

 „Gefälschte Arzneimittel stellen einen Teil des wesentlich größeren Problems von minderwertigen Pharmazeutika dar. Der Unterschied besteht darin, dass sie absichtlich und in betrügerischer Absicht bezüglich der Identität und/oder Herkunft falsch ausgezeichnet werden. Das Fälschen kann sowohl Markenprodukte als auch Generika betreffen. Zu gefälschten Arzneimitteln zählen sowohl Produkte, die die korrekten Bestandteile enthalten, aber in gefälschten Verpackungen verkauft werden, als auch Produkte mit falschen Bestandteilen und Produkte, die keine aktiven Bestandteile oder nur unzureichender Menge an aktiven Bestandteilen enthalten.“

Minderwertige Arzneimittel sind Produkte, deren Zusammensetzung und Bestandteile nicht den korrekten wissenschaftlichen Spezifikationen entsprechen und die dadurch unwirksam und häufig auch gefährlich für den Patienten sind. Minderwertige Produkte können aufgrund von Nachlässigkeit, menschlichem Fehlverhalten, unzureichenden menschlichen oder finanziellen Mitteln sowie durch gewollte Fälschung entstehen.“

EINIGE FAKTEN ÜBER DIE GEFÄLSCHTEN UND MINDERWERTIGEN MEDIKAMENTE

  • Laut EUROPOL wurden in der ersten Hälfte von 2016 Medikamente im Wert von 53 Millionen US$ (50 Millionen Euro) beschlagnahmt.
  • In 2015 wurden 20.7 Millionen gefälschter und illegale Medikamente beschlagnahmt, darunter: Medikamente gegen hohen Blutdruck, erektile Dysfunktion und Krebs sowie Nahrungsergänzungsmittel. Deren Wert wird auf 73 Millionen Euro geschätzt.
  • Mit gefälschten Medikamente wird weltweit bis zu 75 Milliarden US$ (71 Milliarden Euro) im Jahr verdient.
  • Wenn man in die Google Suchmaschine „online pharmacy“ eingibt, erhält man in nur 0.59 Sekunden 219 Millionen (!) Resultate. 97% der weltweit vorhandenen Websites, die Medikamente verkaufen, sind illegal.
  • Die Beipackzettel der gefälschten und minderwertigen Arzneimittel sind oft in einer Sprache geschrieben, die der Empfänger nicht immer versteht. Viele Patienten können daher die verschriebenen Medikamente nicht wie (von dem Arzt vorgeschrieben) einnehmen und können mit dem Beipackzettel nicht viel anfangen.
  • Ein Arzneimittel muss immer auf Ablaufdatum und Dosierung überprüft werden.
  • Die Medikamente werden aus verschiedenen Gründen online gekauft: Meist sind es die Bequemlichkeit, der Bedarf nach Diskretion oder die (falsche) Annahme, die gewünschten Präparate sind kostengünstiger als in der Apotheke um die Ecke.

 

Mag. Lamija Muzurović MAS

 

LINKS

INSTITUTIONEN UND ORGANISATIONEN

Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, http://www.basg.gv.at/inspektionen/versandapotheken/

Liste in Österreich registrierter Versandapotheken, https://versandapotheken.basg.gv.at

Liste in EU, Island, Lichtenstein und Norwegen registrierter Versandapotheken, European Medicines Agency, http://www.ema.europa.eu

Österreichische Apothekerkammer, http://www.apotheker.or.at

European Alliance for Access to Safe Medicine, http://www.eaasm.eu/home,de

European Parkinson’s Disease Association (EPDA), http://www.epda.eu.com

 

ARTIKEL

Apotheker aktiv im Einsatz gegen Arzneimittelfälschungen, 2014, http://www.apotheker.or.at

Auf der sicheren Seite, http://www.auf-der-sicheren-seite.at/

Fight the Fakes: Allianz gegen gefälschte Arzneimittel, 2014, http://www.apotheker.or.at/

Arzneimittelfälschung (Medikamentenfälschung, counterfeit drug), Netdoktor.at, Juni 2011, http://www.netdoktor.at/

Facts about fake medicines, http://eaasm-asop.eu/

Wann ist ein Medikament kein Medikament?, EAASM, 2011, http://www.eaasm.eu

 

[i] Erster Österreichischer Patientenbericht Parkinson – Mai 2007, http://www.patientenbericht.at

[ii] PatientenDialog Parkinson 2009, http://www.patientenbericht.at/

[iii] Europol Review 2015, April 2015 https://www.europol.europa.eu/

[iv] 2015 Situation Report on Counterfeiting in the European Union, https://www.europol.europa.eu/; Zusammenfassung in Deutsch, https://www.europol.europa.eu

[v] European Alliance for Access to Safe Medicines, http://www.eaasm.eu/home.de

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